Rätien – Winter 230
Der steinige Weg nach Castra Biriciana
Die Berittenen stand bereits mit dem Pferd Beifuß im Hof und wartete darauf, dass der Optio sie anführen würde. Doch der Optio betrat leise die Gemächer des Centurio, der in seinem Bett lag und wohl gerade wieder erwacht war.
‚Hab ich mir Schande gemacht?‘ zischte der Centurio Roar zu, der vor seinem Bett kniete, während sein Hund zu seinen Füßen lag und den Optio interessiert anblickte.
‚Nein, Herr! Aber der Optio weiß…!flüsterte Roar ihm zu.
‚Der Optio ist ein Freund.‘ flüsterte der Centurio und zeigte auf ein Tischchen neben seinem Bett. ‚Bring mir die Kiste, dort auf dem Tisch!‘
‚Ja, Herr!‘
‚Ich möchte, dass ihr wisst, dass ihr frei seid, wenn der Adler fällt.‘
‚Nein Herr! Wir bleiben an eurer Seite.‘
‚Ihr seid mir nichts schuldig.‘
‚Aber den Göttern sind wir es schuldig.‘
‚Ask und Kjeld gehen mit dem Optio.‘
‚Und du Roar achtest auf den Großen. Er hat mir versprochen mit mir Wein zu trinken, wenn ich wieder da bin.‘ meinte der Optio ernst.
Der Centurio nahm zwei gesiegelte Schriftstücke aus der Kiste und gab sie dem Optio. ‚Gib sie den Beiden und lass sie frei. Wir sehen uns oder auf der anderen Seite.‘
‚Wir trinken Wein miteinander, so oder so!‘
Der Centurio machte ein schnalzendes Geräusch und blickte seinen Hund an. ‚Bring mir den zähen Hund heil zurück, Marcus Lucius!‘
‚Manchmal weiß ich nicht, ob du mit mir sprichst oder mit dem Hund.‘
‚Es könnte daran liegen, dass der Hund des Herren Marcus Lucius heißt!‘ meinte Roar und half dem Centurio auf.
Der Optio nahm die beiden Schreiben, packte sie in seine Tasche und ging nach draußen, der Hund folgte ihm. Als er auf seinem Pferd saß, trat der Centurio in den Hof und sofort verstummten alle. Roar hatte ihm in Windeseile seine Rüstung angezogen und ihm das Fell eines Wolfes über die Schultern gelegt. Es roch nach Schnee. Der Centurio atmete tief ein und sprach mit lauter und fester Stimme: ‚Die Alemannen haben den Limes überschritten, um uns nach dem Leben zu trachten. Doch heute ist aber kein guter Tag zu sterben. Wir werden nicht zu lassen, dass der Adler fällt!‘
Ein lautes ‚Ahu!‘ erschallte über den Hof und die Berittene zog durchs Tor aus.
Die beiden Sklaven Ask und Kjeld liefen zu Fuß neben den Pferden her und der Hund war schon nicht mehr zu sehen, als sie die steinerne Straße in den Wald führte.
Der Bote ritt neben dem Optio und fragte ‚Warum die beiden Wilden?‘
‚Ich traue den beiden ‚Wilden‘ mehr als euch!‘
‚Sag der Hund des Herrn über die Benefiziarier!‘
‚Die Berittene sind keine Benefiziarier und jetzt zurück auf deinen Platz, Legionär!‘ meinte der Optio ernst. Die beiden Späher liefen links und rechts in den Wald und waren nicht mehr gesehen, bis sie am Nachmittag wieder auf den Weg brachen, um mit dem Optio zu flüstern.
Er gab das Zeichen zum Absitzen, alle seine Decurio kamen zu ihm und er besprach sich mit ihnen. Er hatte einen Plan.
Die Truppe teilte sich auf, der größte Teil ritt ohne Pause weiter nach Biriciana und sie nahmen den Boten mit sich. Eine gut ausgewählte Decurie machte mit dem Optio und den Spähern einen kleinen Abstecher in den Wald. Die beiden Späher hatten nicht nur die Alemannen im Wald entdeckt. Allen Anschein nach, hatten die Alemannen auch einige Gefangene gemacht.
Die Pferde versteckten sie in einer Schlucht und krochen einen Berghang hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter, um sich lautlos dem Lager der Feinde zu nähern.
Ihre List ging auf, als die Alemannen die Berittenen auf der Straße entdeckten, nahmen sie sofort die Verfolgung auf. Sie ließen die Gefangenen und Verwundeten zurück und die paar Mann, die sie zur Bewachung im Lager gelassen hatten, waren schon bald tot.
Die Gefangenen waren Männer von Centurio Titus Antonius. Also waren doch nicht alle tot. Der Optio hatte dem Boten eh nicht über den Weg getraut.
Die Gefangenen erzählten, dass die Alemannen eine Frau gefangen genommen hatten, die sie als die weiße Hexe bezeichnet hatten. Sie war in der Gegend allerdings als die weiße Frau bekannt, die sich um die Armen und Kranken aus der Umgebung kümmerte. Nachdem sie das ganze Alemannenlager auf den Kopf gestellt hatten, fanden sie die Frau gefesselt und geknebelt im Zelt des Anführers. Sie war wohl gefoltert worden und lag in ihrem eigenen Blut bewusstlos neben der Feuerstelle. Die beiden Späher brachten die Frau und die verletzten Legionäre zu den Pferden. Der Hund folgte ihnen. Während der Optio mit den restlichen Legionären die Alemannen verfolgte.
Es kam zu einer Schlacht und die Alemannen wurden von zwei Seiten eingekesselt. In Biriciana war die Ala I Hispanorum Auriana stationiert und gegen die Übermacht der spanischen Reiterkompanie konnten die Alemannen nicht ankämpfen.
Nach der Schlacht wurden die Legionäre des Optio in Biricianaaufgenommen und versorgt. Der Optio machte Meldung und verabschiedete sich so bald er abkömmlich war, da er sein Pferd im Wald gelassen hatte.
Als er vor die Tore Biricianas trat, kam ihm einer der Legionäre von Titus Antonius entgegen und übergab ihm sein Pferd. Auch die letzten Verwundeten wurden nun herein gebracht.
Der Optio konnte am Waldrand den Hund aufgeregt auf und ablaufen sehen. Er saß auf und preschte mit seinem Pferd los. Die Sonne war schon fast untergegangen und die Kälte umfing ihn. Vereinzelte Schneeflocken tanzten vom Himmel, er konnte seinen Atem sehen, als er in den Wald ritt. Er würde sich an das Wetter in Rätien nie gewöhnen können.
Fortsetzung folgt…