Ein Knopf kommt selten allein… Teil 12

Ein Knopf kommt selten allein… Teil 12

OLYMPUS DIGITAL CAMERATommi hatte die halbe Nacht noch im Tagebuch gelesen, spannend war es allemal und ganz schön schweinisch wurde es auch noch. Kein einziges Wort wird er je wieder davon vorlesen, ohne einen hochroten Kopf zu bekommen. Als Gwendoline mit dem großen Reiterbild anfing, war sie das erste Mal schwanger und soweit er das beurteilen konnte, gab es da noch ein Kind, bevor Jonathan gezeugt wurde. Also beschloss Tommi ins Speisezimmer hinüber zu schleichen und sich das Bild genauer anzusehen. Er schnappte sich seine Taschenlampe und schlich aus der Tür seines Zimmers und wäre beinahe mit dem Kimmelmann zusammen gestoßen, der sich gerade aus dem Zimmer seiner Schwester geschlichen hatte.

‘Das ging aber schnell!’ meinte Tommi und hielt sich die Taschenlampe ins Gesicht, woraus das nächste Zucken über sein Gesicht noch gruseliger wirkte.

‘Mensch Tommi, als ob es hier nicht schon gruselig genug ist?’ raunzte ihn der Kimmelmann an, bevor er verschwand. Tommi blickte ihm nach und schüttelte den Kopf.

Am nächsten Tag kam der Notar und der Anwalt und sie hatten viel langweiligen Papierkram zu erledigen. Dann kam dieser Dr. Dalek dazu und er war ganz wissbegierig auf das Tagebuch, der Kimmelmann hatte ihm gesteckt, dass das verschollene Tagebuch von der Ahnherrin Gwendoline aufgetaucht war.

Als Sonja dann mit dem Kimmelmann losfuhr, um ihre restlichen Sachen zu holen, musste Tommi wieder aus dem Tagebuch vorlesen, weil dem Dr. Dalek sein Sütterlin nämlich auch ziemlich grauenerregend war. Tommi versprach es ihm Wort für Wort abzutippen, wenn er nur nicht weiter vorlesen musste, weil den schweinischen Teil würde er dem alten Dr. Dalek bestimmt nicht vorlesen. Als der Dalek endlich fort war, musste er noch Frau Immerlinger im Museum aushelfen und kurz bevor der Tag endlich zu Ende war, ging er mit Tich raus und lief zu den Stallungen hinüber.

Neugierig lief er um die Stallungen herum, er hoffte Hermine zu finden. Sie hatte sich gestern Abend irgendwie seltsam benommen, als sie gegangen war, er war sich nicht sicher was er wollte, aber wollte sicher gehen, dass sie in Ordnung war. Außerdem musste er ihr von dem Tagebuch erzählen, vielmehr musste er ihr beichten, dass er fast damit durch war. Und er musste irgendwie loswerden, dass der Kimmelmann gestern Nacht im Zimmer seiner Schwester war.

Es war merkwürdig ruhig auf dem Hof, die Hunde waren ziemlich still. Seine Schwester und der Kimmelmann waren noch nicht wieder da. Und Hermine hatte sich heute den ganzen Nachmittag nicht blicken lassen.

Er konnte Stimmen hören, also ging er durch ein offenes Stalltor hinein. Der Hund legte die Ohren an. Tommi zog eine Augenbraue hoch und ging weiter. Er konnte Hermine hören, in ihrer Stimme lag etwas Seltsames. Als hätte sie Angst.

Er ging an den leeren Pferdeboxen entlang und lief zum Heulager hinüber. Es lief ihm kalt den Rücken runter.

Plötzlich hörte er ein ersticktes: ‘Nein!’ und im nächsten Moment sah er einen Kerl, der Hermine mit seinem ganzen Gewicht ins Stroh drückte, sie mit einer Hand würgte und sich gleichzeitig an seiner Hose und ihrem BH zu schaffen machte. Ihr Shirt war zerrissen, ihre Nase blutete und ihre erstickten Schreie gingen in ihrem Schluchzen unter. Tommi dachte nicht nach, er riss den Kerl von ihr runter und schrie: ‘Ein Nein ist ein Nein!’

Der Kerl taumelte, hielt mit einer Hand seine Hose fest und holte zu einem Schlag aus. Doch Tommi war schneller. Er hatte sich nie geprügelt, doch sein erster Schlag saß, dass es den Kerl von den Füßen riss und er bewusstlos zu Boden krachte.

Für einen Moment stand er wie vom Blitz getroffen da, starrte auf seine Hand, die ihm unglaublich weh tat. Erst ihr Schluchzen riss ihn aus seiner Starre.

‘Hey, was ist denn mit der Misttöle los?’ hörte er den Kimmelmann von draußen rufen. ‘Und wo sind die anderen Köter?’

Der Kerl hatte sich mittlerweile aufgerappelt und suchte das Weite, als er aus dem Stall stürmte, riss der den Kimmelmann um.

‘Ja hey, ja Sie?’ rief der Kimmelmann und stürmte ins Heulager.

Er sah Hermine wie sie blutüberströmt im Heu lag und ihr Shirt vor den Brüsten zusammen hielt. Tommi war auf die Knie gestürzt und versuchte mit einer Hand sein Hemd auszuziehen.

Der Kimmelmann zückte sein Handy und rief: ‘Was wird da g’spuilt?’

‘Ich… ich…. kam rein, er hat sie gewürgt… und… und… und!’ stotterte Tommi, bevor seine Stimme brach.

‘Tommi, kümmer dich um Hermine, ich hol die Polizei und nen Krankenwagen!’

Der Kimmelmann lief wieder aus dem Stall und man konnte ihn lauthals telefonieren hören. Tommi hatte es zumindest geschafft sein Hemd soweit auszuziehen und riss den letzten Knopf aus, um im nächsten Moment Hermine damit zu zudecken.

Beruhigende Laute kamen über seine Lippen und plötzlich stürzte sie in seine Arme. Er wusste überhaupt nicht was er machen sollte, aber anscheinend reichte seine pure Anwesenheit aus, um sie ein wenig zu beruhigen.

Sonja kam mit Tich auf dem Arm in den Stall gestürzt und der Kimmelmann folgte ihr mit einem Erste Hilfe Kasten und rief. ‘Der Krankenwagen kommt gleich!’

Alles was dann geschah, bekam Tommi nur so am Rande mit, wie ein Zuschauer in einem schlecht geschnittenen Action Film. Die Sirenen und die Lichter, dann die Fahrt ins Krankenhaus. Die Fragen der Polizei. Tommi wurde geröntgt und dann eingegipst. Seine Schwester wich ihm nicht von der Seite. Die Polizisten fingen an zu tuscheln, dann nahmen sie ihn fest und dann kam der Anwalt und er wurde wieder freigelassen.

Wenig später saß Tommi auf dem Rücksitz eines fetten Mercedes und ehe er sich versah wurde er ins Haus von Herrn Immerlinger gebracht.

Herr Immerlinger saß in einem Sessel und trank etwas aus einer Tasse und Frau Immerlinger kam gerade die Treppe runter und blickte besorgt in die Runde.

Herr Immerlinger stand auf und lief an ihnen vorbei, er legte Tommi die Hand auf die Schulter, nickte ihm zu und meinte: ‘Gut gemacht, Junge!’

Er musste sich an der Wand abstützen, als er weiterging.

‘Er hat es am Herzen, es ist besser wenn er sich hinlegt. Tommi kannst du hochgehen zu ihr, Hermine fragt nach dir. Immerzu.’ flüsterte Frau Immerlinger, sie fing an zu schluchzen und lief ihrem Mann hinterher.

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