Drei und eine Axt – Teil 18

Eine Axtgeschichte – Drei und eine Axt – Teil 18

Von draußen konnte man das Pferd in der Höhle ein letztes Mal wiehern hören und dann wurde es still. Sehr still, bis die Frauen wieder mit ihrem Klagegesang anfingen.

Die Krieger brachten Holz und legten es an beiden Seiten der Höhle ab und stapelten es zu zwei Feuerstellen zusammen. Dann kam der Khan und seine Frau. Zwei Speere wurden mit einem Band verbunden und wurde jeweils vor den Feuern in den Boden gerammt. So entstand ein Tor, durch das zuerst Otar und Wena liefen. Beide waren am ganzen Körper mit Blutspritzern übersät. Der Khan trat vor sie und sie knieten sich hin. Mit einem Krug voll Milchschnaps übergoss er Beide und begrüßte sie in ihrer Mitte. Orsolya zückte einen Dolch und schnitt das untere Drittel von Otars Zopf ab und öffnete sogleich sein Haar. Auch Wena öffnete ihre Haare. Dann kamen die Kinder völlig verängstigt und blutig aus der Höhle, auch diese wurden mit dem Schnaps übergossen. Die beiden Frauen öffneten die Zöpfe der Kinder und nahmen sie liebevoll in die Arme. Die Kinder starten stumm vor sich hin.

Halef kam mit Vira aus der Höhle. Das Blut tropfte immer noch von ihm herab und Tränen hatten in seinem blutigen Gesicht saubere Streifen hinterlassen. Er schritt durch das Tor zum Khan, der auch Halef mit dem Schnaps übergoss. Orsolya schnitt ihm den Zopf ab und der Khan drückte Halef den Krug in die Hand und sprach: ‚Als Sippenoberhaupt ist es nun an dir…‘

Halef nahm den Krug und während er sprach, drückte er dem Khan die Hand seiner Mutter in die Hand, er übergoss ihre Hände mit dem Schnaps, wären Orsolya ihr die Zöpfe öffnete.

‚Mein Khan, als Sippenoberhaupt dieser Familie bitte ich Euch zu bezeugen, dass ich die Hand meiner Mutter freigebe. Mein Herz und meine Hand haben die Götter zu den bernsteinfarbenen Augen dieser jungen Schönheit geführt und mehr vermag meine Liebe nicht.‘ Er ging nun zu Lamina hinüber, um sich vor ihre Füße zu knien und ihr die Füße mit dem Schnaps zu übergießen und ihr seinen Geburtsritusknochen vor die Füße zu legen.

‚Ich will gerne Euer Zeuge sein, aber gibt es jemanden, den ich in die Hand deiner Mutter versprechen kann?‘ rief der Khan und drehte sich zu den Anderen um.

Ainur stürzte auf die Knie, blickte gen Himmel, erhob die Arme und spie ein Dankgebet hervor.

‚Mein Herz und meine Hand gebe ich für diese Frau.‘ rief er laut und machte Anstalten auszustehen, doch der Khan war schon bei ihm angekommen und blickte ihn ernst an. Halef war aufgestanden und lies die völlig verwirrte Lamina einfach stehen.

‚Schmied schwöre, dass du die Sitten unserer Ahnen ehrst und ihre Seele nach ihrem Tod für ihre Pflichten im Jenseits freigibst.‘

Halef wusch Ainur die Hände.

‚Ich schwöre!‘ rief Ainur und der Khan legte Viras Hand in die von Ainur und Halef goss den Rest des Inhalts über ihre Hände.

Dann zückte Halef einen Dolch, ritzte sich in die Hand. ‚Bei meinem Blut segne ich diese Verbindung.‘ Er träufelte sein Blut über die verschlungen Hände seiner Mutter und Ainur.

Orsolya schritt an ihnen vorbei und murmelte zu ihrem Mann: ‚Die Trauerzeit!‘

Der Khan murmelte ungehalten etwas Unverständliches in sich hinein und räusperte sich: ‚Es ist dir nicht erlaubt sie innerhalb der Trauerzeit…‘ Er räusperte sich wieder und wurde von der puren Anwesenheit der weißen Hexe unterbrochen. Sie war blutüberströmt aus der Höhle getreten, blieb zwischen den beiden Feuern stehen und schrie wieder. Dann brach sie zusammen. Ihr Körper bäumte sich auf und sie zitterte am ganzen Körper und wälzte sich über den Boden.

Kejnen, der sie Szenerie gespannt verfolgt hatte, löste sich aus den Reihen und humpelte in Richtung Ziska. Als er bei ihr ankam, lief ihr blutiger Schaum aus dem Mund und röchelte nur noch. Der Khan und seine Frau drehten sich um, ließen sich einen weiteren vollen Krug geben und eilten Kejnen hinterher.

Die völlig verdutzte Lamina stand immer noch mit offenen Mund da und starrte abwechslungsweise auf Halef und auf den verzierten Unterschenkelknochen eines Schafes, der immer noch vor ihren Füßen lag. Vira und Ainur waren sich mittlerweile in die Arme gestürzt und küssten sich. Halef blieb neben ihnen stehen und flüsterte ihr ins Ohr. ‚Mutter, ich hoffe du verzeihst mir, dich überrumpelt zu haben.‘ Die Beiden blickten auf und starrten ihn fragend an. ‚Ich hab gestern euer Gespräch mit angehört. Ich wollte es nicht, aber man konnte kaum weg hören.‘

‚Dummer Junge, wie kann ich denn böse auf dich sein. Los geh zu deinem Mädchen!‘ meinte sie und blickte zu Lamina hinüber, die bereits Tränen in den Augen hatte und Anstalten machte auf die Knie zu sacken. Hastig drehte er sich um und konnte Lamina gerade noch auffangen, bevor sie umstürzte. Er stürzte selbst auf die Knie und hielt sie ihm Arm.

Kejnen hatte sich unter Schmerzen vor Ziska auf den Boden gekniet und berührte ihre Füße. Der Khan goss den Schnaps über Ziska und schüttete den Rest über Kejnen. Was das nun wieder zu bedeuten hatte, wusste Kejnen nicht, hatte aber auch keine Zeit sich darüber zu wundern, denn Ziska lief bereits blau an. Blitzschnell zog er sie zu sich heran und drehte sie auf die Seite. Er packte sie am Kinn und schob ihren Kopf zurück. Beherzt griff er in ihren Mund und befreite ihn von dem Schleim, er ihren Rachen verstopft hatte. Einen schrecklich langen Moment geschah nichts. Kejnen griff tiefer in ihren Rachen und sie würgte endlich. Orsolya schnitt blitzschnell die Zöpfe an den Enden auf und hielt ihr die Haare hoch. Ziska erbrach literweise Blut und Schleim vor Kejnen auf den Boden, der nicht im Mindesten von ihr abrückte, sondern weiter ihr Kinn hielt und ihren Rücken streichelte.

‚Dummes Kind, Pferdeblut auf nüchternen Magen zu trinken!‘ flüsterte Orsolya und öffnete langsam ihre Zöpfe. Kejnen kniete immer noch auf einem Knie vor Ziska und versuchte sie zu beruhigen. Er würde ohnehin nie wieder hochkommen, sein Knie schmerzte und sein Bein war mittlerweile taub.

‚Ich wusste nicht, dass deine Haare einst rot gewesen sind, Kejnen.‘ raunte Ziska und machte Anstalten aufzustehen. Die weiße Hexe war wie der Khan, eben noch völlig am Ende aller Kräfte und im nächsten Augenblick wieder das blühende Leben. Verstehe das wer will, Kejnen schüttelte nur verdutzt den Kopf und stöhnte eine Antwort hervor, während er versuchte sich unter Schmerzen aufzurappeln: ‚Bevor meine Haare grau geworden sind, war ich eben so ein roter Bengel, wie der neue Sippenführer!‘

Der Khan blickte Beide mit einem milden Lächeln auf den Lippen an.

‚Die Seele des großen Kriegers ist rein und hat den Geist der weißen Hexen den bösen Geistern entrissen. Er gehört jetzt Euch, weiße Hexe! Macht mit ihm, was ihr wollt.‘ meinte der Khan fast schon eifersüchtig, lachte dann ziemlich grausam und ging ohne ein weiteres Wort.

Die Reiter des Khan kamen und knieten sich vor die weiße Hexe und erbitterten ihren Segen für die Totenwache in dieser Nacht.

‚Was kniet ihr vor mir herum. Bringt mir lieber meinen Korb.‘ meinte sie unwirsch. Einer stürmte sogleich los und brachte ihr den Korb, in dem immer noch Kräuter lagen und übergab ihn der weißen Hexe. Sie zog eine Flasche heraus und gab Kejnen den Korb. Mit zitternden Fingern öffnete sie die Flasche und trank. Sie musste fast wieder würgen und gab die Flasche Kejnen und nahm den Korb, um den wiederum an die Krieger zu reichen. ‚Nehmt die Kräuter und legt sie in die Glut, sobald das Feuer erloschen ist. Dann nehmt einen Stock und legt die Knochen der bösen Hexe auf die Glut. Ihr dürft die Knochen auf keinen Fall berühren.‘ meinte sie verheißungsvoll und ihre Stimme schwoll an, als sie fortfuhr. ‚Nehmt von dem Fleisch des Gaules, aber nur so viel, wie ihr in dieser Nacht verzehren könnt. Nicht mehr und nicht weniger. Euer Geist ist stark, ihr werdet den bösen Geistern trotzen. Am Morgen werde ich zu euch kommen und wir verschließen die Ahnenhöhle.‘

Kejnen hatte nun auch getrunken und Ziska gab ihm den Korken. ‚Ach, gegen die Kälte!‘

Und Kejnen überließ ihnen den Schnaps.

Ainur und Vira wurden von Wena, Otar und den Kinden nach unten begleitet, während Halef immer noch am Boden kniete und Lamina gegen die Wangen tätschelte.

‚Lamina, auch dich wollte ich nicht überrumpeln.‘

Sie blinzelte nur und kam langsam wieder zu sich. Mit Blick auf den Knochen, der immer noch auf dem Boden lag, schossen ihr die Tränen in die Augen.

‚Es tut mir leid, langsam wird es selbst für mich zu viel. Aber der Khan meinte, es wäre die einzige Möglichkeit den Frieden auf dem Hof nicht zu stören, den Ahnen genüge zu tun und es trotzdem jedem Recht zu machen.‘

‚Was ist, wenn ich den Knochen nicht aufhebe.‘

Nun schossen ihm die Tränen in die Augen. Sie blickte ihn erschrocken an, weil sie nicht mit so einer Reaktion gerechnet hatte. ‚Ich will dich schon, sehr gern sogar, aber nicht jetzt, zu diesem Zeitpunkt ist es zu früh.‘

‚Selbst für mich ist es zu früh, Lamina! Ich will dich zu nichts drängen, was du nicht bereit bist zu geben, ehrlich! Aber ich will, dass jeder weiß, wem mein Herz gehört und dass du zu mir gehörst.‘

‚Aber jeder kann doch sehen, wie unzertrennlich wir sind.‘

‚Wenn du den Knochen aufhebst, kann keiner der Krieger schlecht über dich reden, wenn sie dir hinterher schauen…‘ stammelte er unsicher, bis er von Lamina unwirsch unterbrochen wurde.

‚Tun sie das denn?‘

‚Schon! Und das ärgert mich!‘ rief Halef.

‚So kenn ich dich gar nicht.‘

‚Ich mich auch nicht, Lamina! Du hast mir den Kopf verdreht. Ich bin…krank um Sorge, wenn du nicht bei mir bist. Ich will dich beschützen. Ich… Ich liebe dich!‘ Sein Kopf wurde schlagartig rot, als sein Geständnis herausplatzte.

Sie stockte einen Moment und stammelte dann. ‚Wenn ich den Knochen aufhebe, soll er zwischen uns liegen, bis ich soweit bin.‘

‚Und ich fange morgen ein Schaf und werde es füttern, bis es soweit ist, unseren Knochen zu entnehmen.‘ rief er.

Sie stand auf, um sich nach dem Knochen zu bücken, doch sie stockte in der Bewegung und verharrte. Er kniete immer noch vor ihr und blickte sie erwartungsvoll an, bemerkte aber den inneren Disput, den sie mit sich selbst auszufechten schien.

‚Du hast noch was auf dem Herzen?‘ stotterte er unsicher. ‚Sag es mir!‘

‚Und was ist, wenn ich den Erwartungen nicht gerecht werden kann?‘

‚Den was?‘ stieß er verwirrt hervor.

‚Man wird erwarten, dass ich dem Sippenführer einen Nachfolger gebäre.‘

Er stöhnte erschrocken auf und stammelte Unverständliches.

‚Was ist, wenn ich keine Kinder gebären kann?‘ fragte Lamina mit erschreckend ruhiger Stimme.

Er brauchte einen Moment bis er seine Stimme wieder fand, kniete immer noch vor ihr und griff nach ihren Händen.

‚Lamina. Wenn du Kinder kriegen willst, dann werden die Götter dir Kinder schenken. Und wenn nicht, dann gehören wir beide doch zusammen.‘

Sie hangelte nach dem Knochen.

‚Bist du dir sicher?‘

Als Antwort nahm sie den Knochen.

‚Gut!‘ meinte er erleichtert.

‚Soll ich ihn wieder hinlegen?‘

‚Nein, bloß nicht.‘

Er versuchte sie zu küssen, doch sie wich zurück. ‚So, küss ich dich nicht.‘

Sie nahm einen Finger und wischte über sein Gesicht.

‚Ich sollte mich besser erst waschen!‘

‚Mit samt deiner Kleidung!‘ meinte sie und stand auf. ‚Und meiner!‘ Sie putzte über ihr Kleid. Alles war voll Blut.

Ziska wurde von Kejnen den Berg herunter geführt und zischte ungehalten: ‚Sich von einem Krüppel führen zu lassen, dass sieht der weißen Hexe ähnlich.‘

‚Ich habe wieder den Allghoi Khorkhoi gesehen!‘

‚Der Todeswurm schon wieder!‘

‚Ja, der Todeswurm!‘

‚Ich habe eigentlich aufgegeben Fragen zu stellen, aber was meinte der Khan vorhin…?‘

‚Er wird sich, der Sitten und Gebräuche wegen, nicht weiter einmischen, er hat Angst vor meinem Fluch.‘ meinte Ziska, kreuzte ihre Finger und machte ein merkwürdiges Geräusch.

‚Ah, und das heißt nun!‘

‚Dass er dir nicht deinen Schwanz abschneiden wird, wenn du weiter in meinem Bett schläfst.‘

‚Ich kann auch auf dem Boden schlafen, wenn die weiße Hexe dies wünscht.‘

Ziska blieb schlagartig stehen, stoppte ihn mit ihrem Körper und griff Kejnen in den Schritt. ‚Kejnen, wenn dir dein kleiner Krieger lieb ist…!‘

‚Ich hab vorhin was von einer Trauerzeit gehört, weiße Hexe! Du darfst mich nicht anrühren, solange du trauerst.‘

Als Antwort kniff sie nochmal zu, dann hakte sie sich wieder ein und sie humpelten weiter.

Published in: on 2. November 2012 at 20:50  Kommentar verfassen  
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